Die Natur ist eine Firma, die
seit vier Milliarden Jahren
nicht pleite gemacht hat.

Frederic Vester
I. Energie
Jegliche Aktivität auf der Erde ist von Energie abhängig, die u. a. in Form von Strahlungsenergie, gespeicherter Energie in org. Substanz, mechanischer Energie oder Wärmeenergie auftritt. Energie geht in jedem offenen System ständig verloren, z. B. in Form von Wärme, weshalb es auch keinen Energiekreislauf, sondern nur einen Energie(durch)fluß gibt.
Ein wesentliches Ziel natürlicher Systeme ist es diese Energie möglichst lange innerhalb des Systems zu speichern, effektiv zu nutzen und Verluste zu minimieren. Die Art und Weise des Energieflusses entscheidet darüber, ob ein System nachhaltig, ressourcenschonend und (energie-)effizient ist. Tab. 1 zeigt beispielhaft mögliche Anwendungen dieser "energetischen" Prinzipien in natürlichen und anthropogenen Systemen. Die Berücksichtigung dieser Regeln hilft:
· Standorteigenschaften besser zu nutzen,
· kostspielige und aufwendige technische Lösungen zu vermeiden und damit
· Energie und kostbare Ressourcen zu sparen.

Prinzipien
· Anpassung an Standortbedingungen
Berücksichtigung mikro- und makroklimatischer Faktoren, Bodenart und -typ, Lage, Neigung, Höhe über NN.
· Nutzung vorhandener Kräfte
Kräfte als Energien im engeren Sinne (Sonne, Wind- und Wasserkraft, Verrottungswärme)
· Nutzung vorhandener materieller und nicht materieller Ressourcen
Hilfsmittel und -stoffe zur nachhaltigen Produktion, wie z. B. Boden, Pflanzen, Tiere, Nachbarn, Informationen...
· Nutzung von Beziehungen
Symbiosen, Kooperationen, Konkurrenzen, Parasitismus u. a.
· Minimierung von Energie-Verlusten
Verluste entstehen durch unzureichende Energiespeicher, zu schnellen Energiedurchfluß oder durch die ersetzbare Verwendung von Fremdenergie.
· Mehrfach- und kaskadenartige Nutzung
Hierdurch wird der Stoff- und Energiedurchsatz reduziert, der Vernetzungsgrad erhöht und der Energie- und Materialaufwand verringert. Energie- oder Ressourcennutzung über mehrere Zwischenstufen (Kaskaden).
· Zonierung
Zonen unterschiedlicher Energieeinwirkung.
III. Nachhaltigkeit
Nachhaltig ist das Handeln, daß für die Zukunft die meisten Optionen, die meisten Handlungsalternativen offen läßt, das dauerhaft gute Lebensbedingungen schafft und erhält.

Prinzipien
· Kreislauforientierung
Zyklische Beschaffenheit aller Materialflüsse, es entstehen keine nichtverwertbaren Abfälle.
· Funktionsorientierung statt Produktorientierung
Große Flexibilität und Anpassung an Veränderungen, keine Abhängigkeit von einem bestimmten Produkt.
· Funktionsabsicherung
Höhere Stabilität und Anpassungsfähigkeit durch mehrfache "Standbeine" wichtiger Funktionen.

IV. Vielfalt
Natürliche Lebensräume zeichnen sich in der Regel durch eine große Vielfalt aus, die sich in eine "äußere", sichtbare und eine "innere", unsichtbare unterteilen läßt. Die äußere zeigt sich in der Vielfalt an Arten, Standortbedingungen (z. B. warme, sonnige und kühle, schattige Bereiche), Erzeugnissen, Landschaftsbildern (Farben, Formen, Geräuschen und Gerüchen). Die "innere", weniger offensichtliche, in der Vielfalt der Beziehungen und Funktionen.

Um alle Vorteile der Vielfalt nutzen zu können, ist es wichtig darauf zu achten, daß sie nicht nur die äußere Qualität aufweist, die sich als ein Nebeneinander unterschiedlicher Komponenten zeigt, sondern, daß die innere Qualität im Vordergrund steht. Ziel muß eine geschickt angeordnete, vernetzte "Polykultur" sein, die das Gegenteil einer "Monokultur" darstellt. Diese unsichtbaren Strukturen sind aber ungleich schwieriger zu planen und zu verwirklichen und werden sich oft erst im Laufe der Jahre ergeben, nachdem erfolglose Arten oder Methoden ausgeschieden sind oder aufgegeben wurden und besser geeignete sich etabliert haben.

Prinzipien
· Artenvielfalt
Obwohl es auch artenarme stabile Lebensräume gibt (z. B. Schilfgürtel oder Buchenwälder), weisen die meisten natürliche Systeme eine große Artenvielfalt auf. Sie bietet Vorteile für den Erhalt und die Funktionsfähigkeit des Systems, denn ein Nachteil von Monokulturen und Monostrukturen ist, daß alle Individuen Bedarf an den gleichen Ressourcen haben und die gleichen Abfälle produzieren.

· Biologisches Design
Die Vielfalt an Formen und Strukturen der Organismen - das biologische Design - hat in der Regel einen funktionellen Charakter und wird von Menschen in seiner "Unregelmäßigkeit in der Regelmäßigkeit" als ästhetisch ansprechend empfunden (Vester 1999). Architekten und Ingenieure greifen diese Art der Gestaltung nicht nur unter optisch-ästhetischen Aspekten auf, sondern versuchen mittlerweile durch die Nachahmung natürlicher Gestaltungsregeln u. a. energie- und kostensparende Bauweisen und neue technische Möglichkeiten zu verwirklichen ("Bionik" aus Biologie und Technik).

· Randzonen
In natürlichen Systemen ist häufig zu beobachten, daß Randzonen (Ökotone), d. h. die Übergänge zwischen zwei Lebensräumen sehr artenreich sind. Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, daß dieser Bereich Arten der beiden angrenzenden Biotope enthält und darüberhinaus Arten, die auf den Übergangsbereich spezialisiert sind. Beispiele hierfür sind Waldränder, Küsten oder die Bodenoberfläche als Grenzbereich zwischen Atmo- und Lithosphäre. Eine Verlängerung von Randzonen z. B. durch gewundenen, unregelmäßigen Heckenverlauf, schafft unterschiedliche mikroklimatische Bedingungen (Licht-, Wind- und Feuchteverhältnisse), die die Standortvielfalt erhöhen. An den Randzonen kann es zu Anreicherungen wind- und wassertransportierter Stoffe (mit Nähr- oder Schadfunktion) kommen, was z. B. die Aufgabe von Erosionsschutz- oder Filterhecken ist. Auch wenn Ränder nutzbare Eigenschaften aufweisen, kann es sinnvoll sein diese zu verlängern, z. B. Flachwasserzonen zum Anbau bestimmter Pflanzen.
Auch der Stadtrand ist als menschlicher Lebensraum äußerst begehrt, da er die Vorzüge der Stadt, wie Nähe zu Geschäften, Schulen und Freizeitangeboten, mit denen des ländlichen Raumes, wie Ruhe, Grünflächen und bessere Luftqualität, verbindet.


· Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten
Die Komponenten natürlicher Systeme weisen oft eine Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten auf, z. B. Pflanzen, deren Blätter von Raupen gefressen werden, die Blüten Nektar für Bienen bieten und die hohlen Stengel als Überwinterungsquartier oder Nistmaterial dienen.